Rechtfertigt das Missverständnis über die tatsächliche Größe des Kaufgrundstücks den Rücktritt vom Kaufvertrag? Adobe Stock von ronstik
26 Oktober

Rechtfertigt das Missverständnis über die tatsächliche Größe des Kaufgrundstücks den Rücktritt vom Kaufvertrag?

Häufig sind die genauen Grundstücksgrenzen bei der Besichtigung des Grundstücks nicht erkennbar. Es befindet sich häufig der Zaun oder eine andere Grenzeinrichtung nicht auf der Grundstücksgrenze. Wo sich die Grundstücksgrenzen tatsächlich befinden, offenbart nur das Liegenschaftskataster und die Position des Grenzzeichens, des Grenzsteines, des Grenznagels oder -rohrs.

Doch was geschieht, wenn der Käufer aufgrund der Position des Zaunes vielleicht auch eines (geduldeten) Überbaus glaubt, das verkaufte Grundstück sei größer, als es tatsächlich der Fall ist? Kann er aufgrund dieser Fehlvorstellung Schadensersatzansprüche gegen den Verkäufer geltend machen oder gar Rückabwicklung des gesamten Vertrages verlangen?

Mit dieser Frage hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof (im Folgenden „BGH“) in seinem Urteil vom 23.06.2023 (AZ V ZR 89/20) zu befassen:

Der Käufer hat im Jahre 2009 ein Grundstück erworben, welches mit einem Wohnhaus bebaut war. Er ging beim Abschluss des Kaufvertrages davon aus, auch das angrenzende Flurstück mit einer Größe von 19 qm gehöre zu dem verkauften Grundstück. Für den Käufer hat es sich bei der Besichtigung des Grundstücks vor Vertragsschluss so dargestellt, als seien beide Grundstücke eine zusammengehörende Einheit. In Wirklichkeit handelte es sich bei aber um zwei separate Grundstücke. Das angrenzende 19 qm große Grundstück stand im Eigentum des Nachbarn. Als der Kläger von dem Irrtum Kenntnis erlangte, wollten er vom Kaufvertrag zurücktreten.

Der Käufer argumentierte, die Parteien seien sich während der Vertragsgespräche darüber einig gewesen, dass beide Grundstücke, welche von dem Käufer als Einheit wahrgenommen wurden, gemeinsam verkaufen sollten.

Zudem sei dem Verkäufer bewusst gewesen, dass der Verkauf des angrenzenden Grundstückes für den Käufer entscheidend für den Vertragsschluss gewesen sei. Der Verkäufer habe verschwiegen, dass das angrenzende Grundstück nicht in seinem Eigentum stehe.

Der Auffassung des Käufers ist der BGH eindeutig entgegengetreten.

 

Entscheidend ist der Inhalt des notariellen Vertrages!

Zwar war die Grundstücksgrenze vor Ort nicht erkennbar. Im notariellen Kaufvertrag wurde das zum Verkauf stehende Grundstück aber konkret bezeichnet – ohne das angrenzende Grundstück. Der Zuschnitt des verkauften Grundstücks ging unmissverständlich aus dem Grundbuch und Liegenschaftskataster hervor, worauf im notariellen Kaufvertrag Bezug genommen wurde.

Der Käufer hat also das bekommen, was der Verkäufer ihm im notariellen Kaufvertrag versprochen hat.

Die Tatsache, dass das angrenzende Grundstück nicht zu dem verkauften Grundstück gehörte, kann deshalb nicht als Abweichung der Beschaffenheit angesehen werden – das verkaufte Grundstück ist nicht mangelhaft.

Hiervon abweichende mündliche Abreden sind nur von Relevanz, wenn diese im notariellen Vertrag – als Beschaffenheitsvereinbarung - mit aufgenommen worden wären.

 

 

Nebenabreden oder abweichende Vorstellungen müssen vertraglich festgehalten werden!

In der Rechtsprechung gibt es den Grundsatz, dass die Falschbezeichnung eines Vertragsobjekts nicht relevant ist, wenn die Parteien in Wirklichkeit etwas anderes wollten („falsa demontratio non nocet“ „eine falsche Bezeichnung schadet nicht“).

Übertragen auf diesem Fall könnte dies bedeuten, dass die Parteien zwar das „kleinere“ Grundstück im Kaufvertrag festgehalten haben, in Wirklichkeit aber das „größere“ Grundstück - inklusive des Nachbargrundstücks übereignet - wollten.

Aber auch hier ist entscheidend, was im notariellen Kaufvertrag vereinbart worden ist. Wenn die Parteien den Verkauf des Nachbargrundstücks ebenfalls gewollt hätten, müsste dies aus dem Inhalt des Kaufvertrages hervorgehen – dies war nicht der Fall.

 


Vorsicht bei falschen Versprechungen!

Die lediglich einseitige Vorstellung des Käufers über die Grundstücksgröße, welche der Verkäufer nicht erkennen konnte, hat keine rechtlichen Konsequenzen.

Der BGH betonte aber auch, dass eine Haftung des Verkäufers dann in Betracht kommen kann, wenn er dem Käufer zu verstehen gegeben hätte, das Nachbargrundstück werde ebenfalls verkauft.

Hätte nämlich, so der BGH, der Verkäufer beim Käufer durch sein Verhalten im Rahmen der Vertragsanbahnung die berechtigte Annahme erweckt, er werde das angrenzende Grundstück mitveräußern, könne der Verkäufer wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung schadenersatzpflichtig sein.

 

 

Sichern Sie ihren Grundstückskauf- oder Verkauf durch präzise Vertragsgestaltung ab!

Der vom BGH zu entscheidende Fall macht deutlich, wie wichtig es ist, die Erwartung der Parteien eines notariellen Kaufvertrages über ein Grundstück - gleicher bebaut oder unbebaut - präzise Vertrag mit aufzunehmen. Missverständnisse oder unausgesprochenen Erwartungen können erhebliche finanzielle Folgen und langwierige Rechtsstreitigkeiten mit sich ziehen.

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